Gastbeitrag: Urteil Widerruf von Autokrediten – Reaktionen Banken und Gerichte

Gastbeitrag von Rechtsanwalt Alexander Kainz
(CLLB Rechtsanwälte Cocron, Liebl, Leitz, Braun, Kainz, Sittner Partnerschaftsgesellschaft mbB)

  • EuGH erklärte am 26. März Widerrufsinformation in bestimmten Kreditverträgen für unvereinbar mit europäischem Recht.
  • Banken und Gerichte reagieren uneinheitlich auf diese spektakuläre Entscheidung.
  • Die Widerrufsmöglichkeiten mit diesem Urteil sind allerdings kein Selbstläufer
Warum es das Urteil des EuGH (Europäischer Gerichtshof) zum Widerruf von Kreditverträgen in sich hat und was das für den Widerruf von fehlerhaften Autokreditverträgen bedeutet.

Verbraucherrechte gestärkt – Doch was bedeutet das?

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 26. März 2020 die Rechte der Verbraucher beim Widerruf von Darlehen erheblich gestärkt. Demnach ist der Widerruf von Verbraucherdarlehen (u.a. Autokreditverträge und Immobilienfinanzierungen), die seit Juni 2010 geschlossen wurden, in vielen Fällen noch möglich, weil die 14-tägige Widerrufsfrist nicht zu laufen begann.

In dem Fall ging es um einen Kreditvertrag zur Immobilienfinanzierung der Kreissparkasse Saarlouis. Unter dem Punkt Widerrufsinformationen heißt es u.a., dass der Darlehensnehmer innerhalb von 14 Tagen seine Erklärung widerrufen kann. Diese Widerrufsfrist beginnt mit Abschluss des Vertrags zu laufen, aber erst wenn der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z. B. Angaben zur Art des Darlehens, Angaben zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat.

Diese Klausel wird so oder ähnlich von vielen Sparkassen und Banken verwendet. Der EuGH erklärte sie jedoch für unzureichend. Der Verbraucher müsse in klarer und prägnanter Form den Beginn der Widerrufsfrist angeben. Ein sogenannter Kaskadenverweis, der auf eine nationale Vorschrift verweist, die wiederum auf andere nationale Vorschriften verweist, sei nicht ausreichend.

Folglich wurde die Widerrufsfrist nie in Lauf gesetzt und der Widerruf des Darlehensvertrags ist auch Jahre nach Abschluss noch möglich.

 

„Damit hat der EuGH den Verbrauchern beim Darlehenswiderruf zwar entscheidend den Rücken gestärkt, einen Freifahrtschein hat er jedoch nicht erteilt“, erklärt Rechtsanwalt Thomas Sittner, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht bei CLLB Rechtsanwälte.

„Der Widerruf ist nach diesem Urteil kein Selbstläufer.“

Rechtliche Zwickmühle

Die ersten Erfahrungen nach Bekanntgabe des Urteils zeigen bereits, dass die Banken den Widerruf nicht anerkennen. Sie berufen sich darauf, dass sie bei Verbraucherkrediten ab 2010 den Mustertext des Gesetzgebers verwendet haben und bestehen nun auf Musterschutz.

Rechtlich kann das eine Zwickmühle sein, denn: Der Musterschutz für Banken steht gegen europäisches Recht. Auch die Gerichte beurteilen die Rechtslage nicht einheitlich:

Während z.B. das OLG Rostock der Auffassung des EuGH folgt (Az.: 1b 1U 1/19), widerspricht das OLG Düsseldorf und sieht die Banken durch die Verwendung des Mustertextes geschützt (Az.: I 6 U 160/19). Auch der BGH wandte sich in zwei Entscheidungen vom 31. März  gegen das EuGH-Urteil (Az.: XI ZR 581/18 und XI ZR 198/18).

Alles ist offen, vieles ist möglich

„Diese Beschlüsse des BGH bedeuten wiederum nicht das Ende des Widerrufsjokers, denn viele Banken sind auch von der Mustervorlage abgewichen. Dann können sie sich nicht mehr auf den Musterschutz berufen und der Kreditvertrag ist noch widerrufbar“, erklärt Rechtsanwalt Sittner.

 

Der Widerruf eines Autokreditvertrages oder eines Immobilienvertrages ist also nach wie vor möglich. Ob die Voraussetzungen dafür vorliegen, muss aber im Einzelfall geprüft werden.

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