Fiat-Abgasskandal: Verbraucherfreundliches Urteil – gleichwertiges Wohnmobil zugesprochen

11. November 2021

Im Fiat-Abgasskandal wurde einem Kläger ein neuwertiges, typengleiches Wohnmobil zugesprochen.

 

Gastbeitrag von Rechtsanwalt Dr. Dominic Krutisch
(LC Legal & Compliance Rechtsanwaltsgesellschaft mbH)

Fabrikneues Ersatz-Wohnmobil

Das Landgericht Oldenburg (Az. 4 O 767/21) hat im Diesel-Abgasskandal von Fiat Chrysler Automobiles (FCA, jetzt Stellantis) überaus verbraucherfreundlich entschieden. Erstmals wurde mit Versäumnisurteil vom 2. September 2021 die Neulieferung eines Wohnmobils erstritten. Der Händler muss ein mangelfreies, fabrikneues, typengleiches Ersatzfahrzeug aus der aktuellen Serienproduktion des Herstellers Hymer mit gleichartiger und gleichwertiger technischer Ausstattung nachliefern. Der Verbraucher hatte innerhalb der zweijährigen Gewährleistungsfrist geklagt. Allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.

Der Kläger kaufte im Januar 2020 ein Wohnmobil des Herstellers Hymer für 69.900 Euro. Das Modell Exsis T 768 ist mit einem für das Basisfahrzeug Fiat Ducato typischen 2,3-Liter-Motor mit 150 PS der Euronorm 6b ausgestattet.

Grenzwerte um das 19-fache überstiegen

Die Multijet-Motoren sind nach gängiger Ansicht so konstruiert worden, dass die gesetzlich vorgeschriebene Abgasnachbehandlung ca. 22 Minuten nach jedem Motorstart deaktiviert wird. Da der Testlauf auf einem Abgasprüfstand nur ca. 20 Minuten andauert, führt die Deaktivierung der Abgasnachbehandlung dazu, dass in der Prüfungssituation der Anschein vermittelt wird, das Fahrzeug würde den für Fahrzeuge der Euro-6-Klasse gesetzlich vorgeschriebenen Mindestgrenzwert für NOx-Mengen genügen. Tatsächlich übersteigt die reale Abgas-Emission den Grenzwert um das 19-fache.

Das haben mehrere Untersuchungen der Deutschen Umwelthilfe an Wohnmobilen, die mit einem FIAT Motor der Abgasnorm Euro 5 und Euro 6 ausgestattet sind, ergeben.

Fahrzeug muss frei von Mängeln sein

Das Gericht urteilte zugunsten des Klägers. Da sich das Fahrzeug noch innerhalb der zweijährigen Gewährleistungsfrist befindet, war neben Stellantis auch gegen den Händler geklagt worden. Letzterer muss jetzt dem Käufer ein mangelfreies, fabrikneues, typengleiches Ersatzfahrzeug aus der aktuellen Serienproduktion des Herstellers Hymer mit gleichartiger und gleichwertiger technischer Ausstattung nachliefern.

Denn jeder Verkäufer ist verpflichtet, seinen Kunden die gekaufte Ware frei von Mängeln zu übergeben. Geschieht dies nicht, haben Verbraucher einen gesetzlichen Anspruch auf Gewährleistung gegenüber dem Verkäufer (§§ 437, 438 BGB). Stellantis wird darüber hinaus zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt.

Für Gewährleistungsanspruch genügt illegale Abschalteinrichtung

Rechtlicher Hintergrund: Die Gewährleistungsdauer bei neu gekauften Waren – also auch Fahrzeugen – beträgt 2 Jahre. Stellt man innerhalb dieser Frist fest, dass die Ware mangelhaft ist, hat man Anspruch auf Mängelbeseitigung oder Neulieferung. Der BGH hat 2019 illegale Abschalteinrichtungen als Sachmangel bezeichnet.

Klagt der Verbraucher indessen gegen Fiat, so muss er die vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB erst noch nachweisen. Bei einem Gewährleistungsanspruch genügt indessen das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung, also ein Mangel, um erfolgreich zu klagen.

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