Diesel-Prozess: Wie die Verantwortlichen Ihre Haut retten wollen

08. Mai 2022

Der VW-Abgasskandal geht nach sechs Jahren in Deutschland in die Aufarbeitungsphase. Lesen Sie hier, wie sich die verantwortlichen Manager keiner Schuld bewusst sind.

Martin Winterkorn: Prozess erneut verschoben – Anklage erst 2024?

Update 25.08.2021 – Das für Mitte September 2021 angesetzte Verfahren gegen Ex-VW-Chef Winterkorn in Braunschweig wird voraussichtlich ohne den ehemaligen VW-Boss stattfinden. Das Verfahren um Winterkorn soll nach Angaben des Landgerichts Braunschweig von den übrigen vier Angeklagten abgetrennt werden.

Das bedeutet, dass der Prozess gegen Winterkorn erst beginnen würde, wenn die übrigen Verfahren abgeschlossen wären. Und das wäre wohl erst im Jahr 2024. Hintergrund dazu ist Winterkorns Gesundheitszustand. So wurde eine erneute Hüftoperation für Anfang September, den ursprünglichen Verfahrenstermin, angesetzt.

Seit Bekanntwerden des VW-Abgasskandals wird der Prozess um den „Kopf“ von VW immer wieder verschoben. Fünf Jahre dauerte es allein, bis man überhaupt zu dem Schluss kam, dass es zur Anklage kommen sollte. Ursprünglich sollte der Prozess am 25.02.2021 beginnen. Nur wenige Wochen vor dem geplanten Termin wurde bei dem Ex-VW-Vorstandsvorsitzenden eine unaufschiebbare Hüftoperation angeraten. Die Ausfallzeit könne, so ein Gutachter damals, sechs bis zwölf Monaten dauern.

Auffällig ist, dass erneut, wenige Wochen vor Start des nächsten Prozesstermins, ein krankheitsbedingter Ausfall ansteht. Ein Verhandlungsunfähigkeit wird indes nicht bescheinigt.

Ob der seit langem geplante Betrugsprozess gegen einen den Deutschlands wohl wichtigsten Konzernchefs dieses Jahr – oder überhaupt noch – stattfindet, ist fraglich.

Der Volkswagen-Konzern hat in seiner Aktionärs-Hauptversammlung kundgetan, dass der Dieselskandal „abgehakt“ sei. Die Strafen, die Winterkorn sowie andere Top-Manager zahlen sollen, bewegen sich zwar im Millionenbereich – sind aber am Ende, gemessen an Gehältern und Boni, klein, unbedeutend – oder schlichtweg nicht vorhanden.

Rupert Stadler gibt sich unschuldig

Ex-Audi-Chef Rupert Stadler muss sich vor dem Münchner Landgericht II im Abgasskandal verantworten. An seinem 19. Verhandlungstag gibt Stadler an: Er habe einfach alles versucht, seine Mitarbeiter zur Aufklärung des Abgasskandals zu bewegen. „Tarnen und Täuschen“ sei dabei bedauerlicherweise ein Teil der Firmenkultur bei Audi gewesen.

Er selbst habe aber immer nach Offenheit und Transparenz gestrebt. Im Nachhinein mache sich Stadler Vorwürfe, dass er den Schaden von Audi nicht habe abwenden können. Insgesamt erwecken seine Aussagen den Eindruck, als ob der Abgasskandal allein auf eine Art Verschwörung der Audi-Techniker zurückzuführen sei.

 

Der Diesel-Prozess startete 2021 vor dem Münchner Landgericht II.
Der Vorwurf: Gewerbsmäßiger Betrug.
Geschätzter Gesamtschaden: 3,1 Milliarden Euro
Zum Video:

Wolfgang Hatz: Keine Zeit für Abgasbetrug

Wolfgang Hatz, Ex-Audi-und-VW-Manager sowie ehemaliger Porsche-Vorstand, habe ebenfalls nichts vom Abgasmanipulationen gewusst. So lautet seine Begründung vor Gericht:

Er sei all die Jahre ein wichtiger, und daher auch vielbeschäftigter Mann gewesen. Seine Karriere sei nicht nur eindrucksvoll, sondern vor allem zeitintensiv gewesen sei. Aufgrund des stets hohen Arbeitspensums habe er sich schon gar nicht mit Dingen wie Stickoxidwerten und deren Manipulation beschäftigen können.

Vor allem während seiner Zeit bei der Volkswagen-AG hätten sich die Dokumente regelrecht auf seinem Tisch gestapelt. Dabei, so seine Ausführungen vor Gericht, verliere man ja auch leicht einmal den Überblick. Wolfgang Hatz habe also gar nichts von einem Abgasbetrug wissen können, da er weder Zeit noch Kenntnis noch Interesse daran gehabt hatte. Und wenn er davon gewusst hätte – hätte er einen solchen Betrug selbstverständlich  niemals zugelassen.

Auch dieser Top-Manager konnte vor Gericht also darlegen, dass er keine Schuld am Abgasskandal hat. Wer Schuld hat – und wer die Entscheidungen für eine systematische Abgasmanipulation für Millionen Dieselfahrzeuge getroffen hat, legte er freilich nicht dar.

Abgasskandal: Wohin geht die Reise?

Und so erinnert dieser Diesel-Prozess schon jetzt an einen anderen Prozess: Den gegen die Wall-Street-Banker nach der Finanzkrise im Jahr 2008. Während Millionen von Sparern um ihr Geld und um ihre Häuser gebracht wurden, verliefen die Anklagen relativ ergebnisarm.

Den Bankern von Goldman Sachs, die einst fast für den Zusammenbruch des weltweiten Finanzsystems gesorgt haben, kann bis heute nicht einmal ein strafrechtliches Verhalten nachgewiesen werden. Die Verantwortlichen haben sich umfirmiert, sind anderweitig untergekommen und agieren einfach weiter.

Aktuell wurden von VW einige Geldstrafen gegen die verantwortlichen Diesel-Manager verhängt. Die Strafen klingen für ungeübte Ohren hoch – sind es jedoch nicht angesichts vorhandener Vermögen und Gehälter. Die Schuldfrage bleibt derweil, auch auf Wunsch von VW, ungeklärt.

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